Zur Person

Beginnen wir mit der Jugend: als renitenter Schüler eines Altsprachlichen Gymnasiums mit Neusprachlichem Zweig in Düsseldorf war ich ein ziemlicher Flop. Aber immerhin nie sitzengeblieben -- entsprechend jung und "politisch" motiviert ging es direkt nach dem Abi hurtig ins bundeswehrfreie Berlin (West).

Nun wurde es in jeder Hinsicht turbulent. Studium an TU (Maschinenbau) und FU (Philosophie, Germanistik und Mathematik) im Stil der Zeit brachten wenig Gewissheit. Aber immerhin wurde damals, also Anfang der 70er Jahre, viel gelesen (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Produkte des Merve-Verlags, jede Menge sog. Raubdrucke und blaue Bände aus der "sog. DDR"). Geblieben davon (also von Marx, Horkheimer, Althusser, Foucault u.v.a.m.) ist nichts. [1][2]

Über viele Umwege und Zufälle kam ich relativ spät zur Semantik von Montague [3] und somit zur Linguistik. Das passte. Denn Maschinenbau hatte ich wegen zu großer Inkompetenz aufgegeben: zu viele e-Funktionen (vorher "nie was von gehört") und Differentialgleichungen (ditto); auf beides konnte in der Logik von Montague gottseidank verzichtet werden. [4]

Dann der M.A. über Präsuppositionen (in Düsseldorf bei Dieter Wunderlich); es folgte der Umzug in das Mekka der Semantik: nach Konstanz (A. v. Stechow, I. Heim, A. Kratzer). Hier kam mir allerdings die arbeitsteilige Aufgabe zu, mich um die Syntax(!) (von Fragen) zu kümmern, und so geschah es, dass ich zu einer gespaltenen Montague/Chomsky-Person wurde. Promotion in Syntax und ein Habilitationsvortrag über die Semantik der Reziprozität. [5]

Hinzu kam, dass ich mich während meiner Assistentenzeit in Frankfurt auch um Phonologie, Morphologie, Pragmatik und alles Mögliche kümmern durfte, was die sonst übliche Spezialisierung auf ein bestimmtes Thema verhinderte. Jedenfalls nährte diese Diversifikation auch später den Mann (und die Familie); als Privatdozent, Akad. Rat und Professor in Tübingen konnte ich das Fach Linguistik "in seiner ganzen Breite" vertreten, vulgo: alles dies unterrichten. [6] Hinzu kamen psycholinguistische Projekte in verschiedenen Sonderforschungsbereichen. [7]

Und so blieb es dann auch bis zu meiner Pensionierung im Jahre 2016, wobei im letzten Jahrzehnt die Syntax deutlich (und von ihr selbstverschuldet, s. [8]) verschwand zugunsten von sehr abstrakten semantischen Überlegungen, s. [9]. Beigetragen zur allgemeinen Verzettelung hatte übrigens auch mein Hobby, die Musik, die mich schon als Schüler vom Lernen der wirklich wichtigen Dinge abhielt. Einen späten aber umso beglückenderen Musik-Unterricht gab es, leider nur kurze Zeit, in Frankfurt bei Thaddeus Watson, einem tollen Flötisten und Lehrer. Eine sehr schöne Zeit hatte ich auch als Flötist in den 70er Jahren im Berliner Studentenorchester; über die Aktivitäten der letzten Jahre informiert diese website.


[1] Über allerlei, was Anfang der 70er Jahre auf dem Markt der Theorien gehandelt wurde, informieren Lothar Baier ("Zeichen und Wunder") und Klaus Laermann ("Lacancan und Derridada") im Kursbuch 84, 1986.

[2] Ein Stück Zeitgeschichte, genauer die Geschichte des Merve-Verlags, wurde unterhaltsam nachgezeichnet von Philipp Felsch: "Der lange Sommer der Theorie." C.H. Beck, München 2015.

[3] Richard Montague: Formal Philosophy. Yale University Press 1974.

[4] Dass sich auch Linguisten mit der e-Funktion beschäftigen können, beweisen Lakoff und Nunes: "Where Mathematics Come From: How The Embodied Mind Brings Mathematics Into Being." Basic Books, New York 2000.

[5] Jahre später erschienen als "Reciprocity and Cumulative Predication". Journal of Semantics 6, 1998.

[6] Immer noch aktuell: "Syntax. Eine morphologisch motivierte generative Beschreibung des Deutschen." 2 Bd. Tübingen, Stauffenburg Verlag 2006ff. Sowie Sternefeld/Zimmermann: "Introduction to Semantics. An Essential Guide to the Composition of Meaning." de-Gruyter-Mouton, Berlin/New York 2013.

[7] Aktuell zu nennen wäre hierzu: Sternefeld/Bott: "An event semantics with continuations for incremental interpretation." Journal of Semantics 34, 2017.

[8] mit Frank Richter: "Wo stehen wir in der Grammatiktheorie?" Zeitschrift für Sprachwissenschaft 31 Bd. 2, 2011.

[9] mit Udo Klein: "Unrestrained beta reduction." Proceedings of SALT 23, 2013, sowie "Same same but different - an alphabetically innocent predicate logic." Journal of Philosophical Logic 46 No. 1, 2017.